Geschichte und Bau der Rattlarer Kirche

"Bei der Gemeinde Rattlar ist vor sehr langen Jahren, zu den Zeiten des Papsttums, eine eige- ne Kirche gewesen, welche - man weiß nicht, zu welcher Zeit – abgebrochen oder in Verfall gekommen ist.“ - So zitiert der langjährige Pfarrer Dr. Viering (1929-47) aus der Chronik seines Vorgängers Georg Chr. Ludw. Jungcurt (1795-1842) und ergänzt: "Es ist also anzunehmen, daß diese Kapelle tatsächlich mittelalterlich war und wohl schon 1593 nicht mehr existierte." So wanderten die Rattlarer Kirchgänger - wie auch die aus Schwalefeld und Willingen - lange über das Astenfeld und die alte Liethstraße nach Usseln und begruben auch ihre Toten auf der Nordseite der Kilianskirche. Erst 1908 wurde in Rattlar ein eigener Friedhof erworben und eingeweiht.

 

"Im Winter 1932/33" rief Dr. Viering dann gemeinsam mit seinem damaligen Vikar "einen Kirchbauverein ins Leben .... um der Entkirchlichung der Männer u. Jungmännerwelt begegnen zu können durch die Errichtung einer eigenen Rattlarer Kirche, für deren Bau die Gemeinde sich m. Meinung nach einsetzen würde u. darüber Gottes Haus u. Wort wieder lieb gewinnen könnte". Nach der Gründung eines Kirchbaufonds kam das Projekt dank vieler Spenden und in Aussicht gestellter Staatsbeihilfen gut voran. Das Hochbauamt Arolsen hatte 1939 auf Anweisung des Regierungspräsidenten einen Bauentwurf gemacht und Kosten von 22.000 RM veranschlagt. "Aber [so Viering in seiner Chronik] der Rattlarer Gemeinderat verweigerte der Kirchengemeinde den erbetenen Bauplatz mit der fadenscheinigen Begründung, Rattlar sei durch Verschuldung und anderweitige Vorhaben zu sehr belastet, um sich in absehbarer Zeit einen Kirchbau leisten zu können." - Dabei blieb es dann! Krieg und Inflation bzw. Währungs- reform machten alle Pläne und die angesparten Finanzmittel in Höhe von rund 9.000 RM vorerst zunichte. Und die Gottesdienste fanden weiter in der Rattlarer Schule statt.

 

Dr. Vierings Nachfolger Superintendent Frenzel (1947-56) berief 1952 eine Gemeindever- sammlung ein, die sich einmütig für einen Kirchbau aussprach. Kreisbaumeister i.R. Rappold aus Korbach wurde beauftragt, einen Entwurf zu erstellen und Landwirt Genuit fand sich bereit, mitten im Ort ein Grundstück als Bauplatz zur Verfügung zu stellen. Der erste Entwurf sah keinen Turm vor und wurde einmütig verworfen, doch - so Frenzel: "Der zweite Entwurf wurde angenommen, eine Kirche aus Kalksteinen von dem Steinbruch in Itter bei Korbach zu errichten." Das Landeskirchenamt, der Kirchenkreis, der Landkreis und die politische Gemeinde Rattlar beteiligten sich ebenso an den Kosten wie sehr viele Rattlarer, die - wie übrigens auch Ministerpräsident Dr. Georg August Zinn - kräftig spendeten. Im Herbst 1953 wurde  mit dem Bau begonnen, bei dem vor allem heimische Firmen mitwirkten und auch viele Rattlarer kräftig zupackten.  Die alte Usselner Glocke läutete zum ersten Gottesdienst am 3. Nov. 1954, bei dem Landesbischof Wüstemann vor "461 Personen" die "Weiherede" hielt. Und Superintendent Frenzel stellte rückwirkend fest: "Kirchengemeinde und politische Gemeinde verschmolzen ineinander, so wie es nur noch in wenigen Gemeinden der Fall ist."

 

Seit Oktober 2014 präsentiert sich die Rattlarer Kirche jetzt als "Lichterkirche". Nach einer wegen vieler Feuchtigkeitsschäden notwendig gewordenen Außensanierung wurde auch der Innenraum umgestaltet und mit einer LED-Technik ausgestattet, die zu liturgischen Effekten im Gottesdienst genutzt werden kann. Auch Besucher der "offenen Kirche" können an einem Monitor selbst wählen, in welchem Licht der Altarraum erstrahlen soll, sowie abgespeicherte Musik und meditative Texte über die Lautsprecher im Kirchenraum erklingen lassen, wenn dies ihrer Stimmung oder ihrer Neugierde entspricht. Das angebotene Farb-Spektrum umfasst 8 Grundfarben, das Text- und Musikangebot reicht von Trauer und Zorn bis Dank und Freude und dauert jeweils 5-10 Minuten.